Politische Arbeit

Stellungnahme

zur Kürzung des Musikunterrichts

Die Stundenkürzungen im Fach Musik sind eine Folge des jahrelangen Abbaus und der Vernachlässigung der kulturellen Bildung zugunsten vermeintlich wichtigerer Fächer. Was in der Regelschule bereits üblich war (1h Musik pro Woche), ist nun auch in den Gymnasien angekommen. Wir konnten uns in den letzten Jahren immer wieder erfolgreich gegen die Denunziation des Musikunterrichts (Stichwort: Notenabschaffung) wehren, aber den Kampf um die Musikstunden haben wir verloren.

 

Wir haben lange gekämpft, bei den Politikern angeklopft, an runden Tischen gesessen und sind doch immer wieder vertröstet und als scheinbar unwichtig abgetan worden.

 

Trotz eines starken Bundes- und Landesverbandes ist es uns nicht gelungen, die Bedeutung der musikalischen Bildung so zu verdeutlichen, dass sie auch auf der obersten Entscheidungsebene ankommt. Wenn nur Zahlen auf dem Papier über die Stundenverteilung in der Schule entscheiden, haben die Kleinen das Nachsehen - ohne Lobby.

 

Dabei ist Musikunterricht so viel mehr als "Singeunterricht" oder "Schülerbespaßung". Musik ist Erziehung zur Mündigkeit, zur Selbstständigkeit und zum Miteinander. Musik fördert Koordination, Rhythmusgefühl, Selbstbewusstsein, Allgemeinbildung und das Verständnis für die eigene und andere Kulturen. Musik schafft Toleranz, Akzeptanz und Offenheit gegenüber Neuem und Fremden, eröffnet neue Welten, weckt Begeisterung und fördert Talente.

 

Das Fach Musik wird jetzt mit einer Wochenstunde unterrichtet. Musik ist ein praktisches Fach und wird in Thüringen aufbauend gedacht. Die Schüler:innen sollen vom praktischen Handeln zum theoretischen Verstehen kommen. Ähnlich wie im Sportunterricht nimmt die Praxis aber schon aus organisatorischen Gründen mehr Zeit in Anspruch als ein lehrerzentrierter Theorieunterricht. Die Praxisphasen müssen somit verkürzt werden, die Schüler:innen können sich weniger ausprobieren und Neues entdecken, die Qualität leidet.

 

An vielen Thüringer Schulen gibt es Bläser-/ Orchester-/ Streicher-/ Chorklassen, die in Kooperation mit örtlichen Musikschulen Schüler:innen ermöglichen, während des Musikunterrichts ein Instrument zu erlernen. Das kostet Zeit - also Stunden. Aus diesen Klassen gehen Schulorchester und Chöre hervor, die ohne diese wichtige Arbeit im Unterricht schrumpfen oder gar verschwinden würden. Eine wichtige Säule der Schulgemeinschaft und der Repräsentation bricht weg. Schulen werden stumm.

 

Schon jetzt ist es schwierig bis unmöglich, mit ausschließlich schulischem Musikunterricht die Aufnahmeprüfung für ein Musikstudium zu bestehen. Das bedeutet im Umkehrschluss weniger Musikwissenschaftler:innen, die in einer Stadtverwaltung die musikalische Organisation übernehmen, weniger Orchestermusiker:innen, die in den Theatern und Opernhäusern die Stücke zum Klingen bringen und am Ende auch weniger Musiklehrer:innen, die eine neue Generation begeistern können. Ein Teufelsrad, das ohne Weitsicht in wenigen Jahren seine Wirkung zeigt und dann kaum mehr aufzuhalten ist.

 

Laut statista hören über 60% der 12- bis 25-Jährigen in ihrer Freizeit Musik. 20% der deutschen Bevölkerung spielen aktiv ein Musikinstrument. Und doch scheint der Unterricht, das aktive Lernen und Erleben, hinter dem passiven Konsum als unbedeutende Coda zurückzubleiben.

 

Mit dem neuen Schuljahr 24/25 ist der Zug endgültig abgefahren. Der Lehrplan für das Fach Musik wird neu geschrieben, um die Inhalte so zu straffen, dass auch aus einer Musikstunde das Maximum herausgeholt werden kann. Auch hier sind wir wieder aktiv, um den letzten Strohhalm nicht untergehen zu lassen, aber die Hoffnung, gehört und verstanden zu werden, haben wir schon fast aufgegeben.

 

Musik scheint ein Gut zu sein, das sich nur Kinder aus wohlhabenden und kulturinteressierten Elternhäusern leisten können. Elitisierung statt Öffnung für alle - wie es das Ziel der allgemeinbildenden Schule sein sollte - scheint von der Politik gewollt zu sein. Schade, dass auch hier die Weitsicht fehlt.

 

Wir werden nicht müde werden, immer wieder für eine musikalische Bildung für alle zu kämpfen, zu streiten und einzutreten.

 

Bundesverband Musikunterricht

Landesverband Thüringen

v.i.S.d.P. E. Weber (Vizepräsident)

Neue Thüringer Schulordnung

Statement gegen die Kürzung des Musikunterrichts in Thüringen

Gerade sind die schlechten Nachrichten aus Bayern bezüglich der Kürzung des Musikunterrichts verdaut, da naht das nächste Unheil - diesmal in unserem Bundesland Thüringen. Dort soll laut der neuen Thüringer Schulordnung der Unterricht im Fach Musik beispielsweise am Gymnasium um bis zu 2 Stunden gekürzt werden.

Wir haben uns mit dem Bundesverband und dem Landesmusikrat zusammengetan, um uns gemeinsam mit dem Ministerium an einen runden Tisch zu setzen und über diese Pläne zu sprechen und so viel wie möglich für euch herauszuholen.

Das Statement könnt ihr HIER nachlesen.

Petition: Für den Erhalt der Noten im Musikunterricht

Abschluss der Petition und Stellungnahme des TMBJS

Nach der Sammlung von 1.112 Unterschriften und der Weitergabe der Petition an den Petitionsausschuss des Thüringer Landtags, erhielten wir folgende Rückmeldung:


Der Petitionsausschuss vertritt die Auffassung, dass die Leistungseinschätzung in der Schule eine wichtige pädagogische Funktion hat. Formen der Selbsteinschätzung und regelmäßige Rückmeldungen durch Lehrkräfte, Mitschülerinnen und Mitschüler zu den Leistungen ermöglichen es den Lernenden eigene Lernfortschritte zu erkennen und nächste Ziele ihrer Kompetenzentwicklung anzustreben.

Die Leistungsrückmeldungen dienen der Transparenz, der Motivation und der Entwicklung von Selbstwirksamkeit und Leistungswillen. Sie berücksichtigen dabei besonders die individuelle Bezugsnorm, um Schülerinnen und Schülern Lernfortschritte und nächste Lern- und Entwicklungsziele zu verdeutlichen. Diese pädagogische Funktion der Leistungseinschätzung ist von zentraler Bedeutung für das erfolgreiche schulische Lernen und die individuelle Förderung und Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler.

Die Leistungsbewertung mit Noten ist ein Bestandteil der Leistungseinschätzung und erfolgt anhand der kriterialen Bezugsnorm. Grundlagen dafür sind die Ziele der Kompetenzentwicklung in den Thüringer Lehrplänen und die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz. Die Leistungsbewertung mit Noten spielt eine Rolle bei Versetzungs- und Schullaufbahnentscheidungen sowie beim Erwerb von Schulabschlüssen. Damit hat sie auch eine selektive Funktion. Laut Thüringer Schulgesetz erfolgt die Leistungsbewertung mit Noten anhand transparenter Bewertungskriterien und dient als Grundlage für die Beratung der Lernenden und ihrer Eltern.

Fragen der Leistungseinschätzung in verschiedenen Formen und der Leistungsbewertung anhand von Noten sind seit Langem Gegenstand einer Grundsatzdiskussion.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zielen auch in Thüringen auf eine Stärkung der pädagogischen Funktion der Leistungseinschätzung und der individuellen Förderung als Grundprinzip des Lehrens und Lernens ab.

Versetzungsentscheidungen werden nicht mehr am Ende jedes Schuljahres getroffen. In bestimmten Klassenstufen und Schularten können Noten durch verbale Leistungseinschätzungen oder Punktesysteme ergänzt oder ersetzt werden.

Eine allgemeine Bewertung erfolgt z. B. in der Schuleingangsphase oder für Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang individuelle Lebensbewältigung. Der Ersatz von Noten durch eine allgemeine Bewertung ist bis zur Klassenstufe 7 in Thüringer Gemeinschaftsschulen oder auch in weiteren Klassenstufen in Schulen mit einem bewährten reformpädagogischen Konzept möglich. In diesen Fällen sind alle Fächer eingeschlossen. Die Schulgesetzgebung ermöglicht Notenaussetzungen in ausgewählten Fächern ausschließlich für einzelne Schülerinnen und Schüler unter bestimmten Bedingungen. Der Verzicht auf die Notengebung bedeutet nicht, dass auf Leistungsanforderungen verzichtet wird.

Mit der Petition wird der Annahme widersprochen, es handele sich im Fach Musik um eine „Talentbenotung“. Es wird beschrieben, dass der Entwicklung musikalischer Kompetenzen das Prinzip eines aufbauenden Musikunterrichts zugrunde liege, Üben und Trainieren notwendig seien und Begabungen, wie in allen anderen Fächern auch, vorliegen und gefördert werden könnten. In der Schule gehe es um Breitenbildung, zu welcher Sport, Musik, Kunst, Darstellen und Gestalten als wichtige allgemein bildende Fächer unverzichtbar gehören.

Diesbezüglich ist Folgendes anzumerken:

Die Fächer Sport, Kunst, Musik und Darstellen und Gestalten sind fest in den Stundentafeln der Thüringer Schulordnung für die allgemein bildenden Thüringer Schulen verankert.

Wichtige Grundlage des Unterrichts in diesen Fächern sind die kompetenzorientierten Thüringer Lehrpläne, in denen u. a. Aussagen zur spezifischen Bedeutung und zu besonderen Potentialen des jeweiligen Faches getroffen sowie anspruchsvolle und fachspezifische Zielen der Kompetenzentwicklung formuliert werden.

Laut Fachlehrplänen Musik für die weiterführenden Schulen in Thüringen liegen der Entwicklung musikalischer Kompetenzen die Prinzipien eines aufbauenden Musikunterrichts zugrunde.

Weiterhin wird im Lehrplan ausgesagt, dass Musik ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kultur und eine Form menschlicher Kommunikation ist. Die Auseinandersetzung mit Musik dient u. a. der Entwicklung des kulturellen Selbstverständnisses der Lernenden, dem zielgerichteten Umgang mit Medien und berufs- bzw. studienwahlvorbereitenden Impulsen.

Diese Lehrplanaussagen verdeutlichen, dass der Musikunterricht ein fester Bestandteil der schulischen Allgemeinbildung ist. In den jeweiligen Fachlehrplänen für Sport, Kunst und Darstellen und Gestalten erfolgen vergleichbare Aussagen.

Fächer wie Sport, Musik und Kunst sind einerseits fester Bestandteil der schulischen Allgemeinbildung, andererseits eröffnen sie Möglichkeiten zum Entdecken und Entfalten von Interessen und Begabungen. Das wird in diesen Bereichen besonders deutlich wahrgenommen, weil ausgewählte sportliche, musikalische oder künstlerische Leistungen, auch medial bedingt, eine hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Die Wirksamkeit von Neigungen, Interessen und Begabungen, deren Förderung und Entfaltung trifft auf alle anderen Fächer des Fächerkanons der allgemein bildenden Schulen in Thüringen ebenso zu.

Soweit die Befürchtung geäußert wird, dass ein Fach in dem auf Noten verzichtet wird, selbst als verzichtbar empfunden wird, ist diese Befürchtung aufgrund der tradierten Rolle der Notengebung in der Schule nachvollziehbar. Die Diskussionen und Entwicklungen im pädagogischen Kontext sollten deshalb alle Fächer gleichermaßen berücksichtigen. Der Forderung nach Gleichbehandlung aller Fächer kann an dieser Stelle gefolgt werden. Die rechtlichen Grundlagen in Thüringen entsprechen dem.


Wir danken euch für eure Unterstützung und werden auch in Zukunft entschlossen für den Erhalt und die Gleichberechtigung des Musikunterrichts kämpfen!

Stellungnahme

zum Gesetzesentwurf zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes

Die aktuell regierenden Parteien im Thüringer Landtag (DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN) haben am 02.11.2022 einen Gesetzentwurf zum Thüringer Schulgesetz eingereicht. Als Bundesverband Musikunterricht wurden wir gebeten, zu dieser Gesetzesänderung Stellung zu beziehen. Dies haben wir in unserer letzten Vorstandssitzung getan und unsere Stellungnahme abgeschickt. 

Den Gesetzentwurf könnt ihr hier nachlesen.

Unsere Stellungnahme könnt ihr hier nachlesen.

Der BMU im Radio

Die Expertenmeinung des BMU ist auch von Radioredaktionen gern gefragt: BMU-Präsident Jürgen Oberschmidt diskutierte am 11.02.2023 in der Sendung „Campus und Karriere“ des Deutschlandfunksmit Prof. Dr. Winfried Speitkamp, Staatssekretär im Bildungsministerium Thüringen, den Vorschlag seines Kultusministers Helmut Holter, Noten in Kunst, Musik und Sport abzuschaffen. Unter dem Titel „Weitsprung, Singen, Bilder malen – Talent benoten, oder nicht?“ fragt DLF-Redakteur Henning Hübert nach den Folgen.

Die Sendung könnt ihr euch hier noch einmal anhören.

Bereits am 21. Januar 2023 stand Tilman Heiland, Präsident des BMU-Landesverbands Baden Württemberg, in der Sendung „SWR2 Wissen“ Rede und Antwort zum Thema „Die Zukunft des Musikunterrichts – Ein Streichkonzert?“.

Die Sendung könnt ihr euch hier noch einmal anhören.

Stellungnahme

zum Artikel (Interview mit Helmut Holter) „Die Situation ist schlimm" in der TLZ vom 9.12.22

Am 09.12.22 gab der Thüringer Bildungsminister Helmut Holter der Thüringer Landeszeitung ein Interview zur aktuellen Situation des Bildungssystems in Thüringen (zum Artikel). Auch die Süddeutsche Zeitung und weitere Medien berichteten darüber.

BMU-Mitglied und ehemaliger BMU-Vorstand Prof. Gero Schmidt Oberländer hat folgenden Leserbrief als Reaktion auf die Forderungen des Ministers verfasst, welchem wir uns hiermit vollumfänglich anschließen wollen.

Die Äußerung von Bildungsminister Holter, in den Fächern Sport, Musik und Kunst werde „einzig das Talent" bewertet, ist enttäuschend und ihr muss widersprochen werden. Musik, Kunst und Sport sind wie Lesen, Schreiben, Rechnen jeweils eine kulturelle Praxis, die erlernt werden kann und zu deren Beherrschung vor allem eines gehört: Üben oder Trainieren. Im Thüringer Lehrplan für Musik, in den auch der Minister gelegentlich schauen sollte, bevor er sich so unqualifiziert äußert, steht: „Der Entwicklung musikalischer Kompetenzen liegen Prinzipien eines aufbauenden Musikunterrichts zugrunde." Dies heißt, dass das Lernen von Musik in sinnvoll aufeinander aufbauenden Lernschritten erfolgen soll. Es wird beispielsweise ein einfacher Rhythmus gemeinsam erlernt und in verschiedenen Kontexten geübt. Dann kann auch die sichere Ausführung bewertet werden. Natürlich gibt es Talent oder besser Begabung, die dann durch intensives Üben beispielsweise zu mathematischen oder musikalischen Höchstleistungen führen kann, in der Schule geht es jedoch um Breitenbildung, und hier sollte keine Abwertung der so wichtigen allgemeinbildenden Fächer Sport, Musik, Kunst sowie Darstellen und Gestalten erfolgen. Die Gefahr ist nämlich, dass dann ein Fach, in dem Zensuren verzichtbar sind, selbst als verzichtbar empfunden und folgerichtig gekürzt oder eliminiert wird. Das wäre ein großer Verlust für unsere Gesellschaft. Der Appell also: Gleichbehandlung aller Fächer, um die kulturelle Bildung in Thüringen nicht zu schwächen!

Wir werden den Forderungen als Bundesverband Musikunterricht scharf widersprechen und uns für eine gleichberechtigte und gleichwertige Behandlung des Musikunterrichts in Thüringen weiter einsetzen.